Vorwort der Autoren
Das Thema Jugendgewalt hat Hochkonjunktur und ist medial entsprechend vertreten. Und gerade in sozialpädagogischen- und auch in anderen Bildungsberufen ist Jugendgewalt (seit jeher) präsent. Pädagogen, Sozialarbeiter usw. müssen sich in der Regel mit dem Phänomen auseinandersetzen, ob sie wollen oder nicht.
Dabei stellen sich immer wieder dieselben Fragen:
- „Welche innerpsychischen Prozesse laufen bei Gewalttätern ab?“
- „Was sind ihre Motive?“
- „Wie kann man sie zu Verhaltensänderungen motivieren?“
- „Wie kann man solches Verhalten langfristig verändern?“
- „Wie geht man professionell mit Gewalt um?“
In diesem Buch berichten wir von wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Veränderungsprozessen bei Gewaltverhalten und von dem Transfer dieser Erkennt-nisse in unseren beruflichen Alltag. Wir arbeiten seit Jahren mit gewalttätigen beziehungsweise gewaltbereiten Jugendlichen, und zwar in unterschiedlichen Praxisfeldern (Berufsbildende Schule und Soziale Arbeit).
Im Laufe der Jahre haben wir verschiedene Erfahrungen gemacht, Erfolge wie „Niederlagen“ verbucht. Dies liegt in der Natur der Sache. Schließlich handelt es sich bei vorliegendem Thema – Aggression/Gewalt – um ein existenzielles Potenzial des Homo sapiens, welches im Berufsalltag ausgeprägte pädagogisch-psychologische Reaktionen seitens der Fachkraft erfordert.
Im Folgenden werden die Themen „Umgang mit Gewalt“ und „Gewaltprävention“ aus Sicht eines Ausbilders für Anti-Aggressivitäts-Training® (Stefan Werner) und aus der Perspektive eines Schemapädagogen (Marcus Damm) behandelt.
„Traditionelle“ Interventionen in der Arbeit mit gewalttätigen Heranwachsenden, die der Konfrontativen Pädagogik zugeordnet werden, werden darüber hinaus dargestellt, kritisch betrachtet und nach aktuellem wissenschaftlichen Stand erneuert. Darauf aufbauend werden auch neu konzipierte Methoden infolge von Praxiserfahrungen beschrieben. Schlussendlich finden sich auch schemapädagogische Vorgehensweisen in diesem Buch.
Da einseitige (monokausale) Erklärungen und Vorgehensweisen bezüglich des Phänomens Gewalt nur scheitern können, weil es sich um ein vielschichtiges, kognitives und affektives Potenzial handelt, wird im vorliegenden Band (Nr. 4 der Reihe Schemapädagogik kompakt) entsprechend eine integrative Perspektive eingenommen.
Die in der Reihe Schemapädagogik kompakt zuvor erschienen Bücher – Praxis der Schemapädagogik (DAMM 2010a), Schemapädagogik im Klassenzimmer (DAMM 2010b), Praxisbuch Schemapädagogik im Klassenzimmer (DAMM 2010c) – decken die Bereiche „schwierige“ Jugendliche beziehungsweise Heranwachsende in den Praxisfeldern der Sozialen Arbeit und Schule ab. In dem vorliegenden Band geht es speziell um gewalttätige/gewaltbereite Jugendliche.
Vorab sei noch erwähnt: Die Grundlagen der Schemapädagogik sind die sogenannten schemaorientierten Psychotherapien (Klärungsorientierte Psychotherapie, Schematherapie und Kognitive Therapie). Deren Potenziale in Hinsicht auf den Umgang mit gewalttätigen Jugendlichen wurden noch nicht dargelegt. Dies soll hier ergänzend geschehen.
Das Buch soll pädagogischen Fachkräften in ihren Praxisfeldern dabei helfen, Jugendgewalt tiefgründiger zu verstehen, etwaige Eigenanteile an Beziehungsstörungen zu bemerken und zu berücksichtigen. – Aber es soll Professionelle auch dabei unterstützen, neue Interventionsmöglichkeiten im Umgang mit der entsprechenden Klientel aufzugreifen und auszuprobieren.
Außerdem sollen neue Einsichten in die Psychodynamik der betreffenden Heranwachsenden vermittelt werden. Ferner findet sich im Folgenden auch eine neue Konfrontationsmethode, die schnell erlernbar und umsetzbar ist – die sogenannte Aktivierende Ressourcenkonfrontation.
Im ersten Kapitel werden zunächst die relevanten Arbeitsbegriffe geklärt, die in diesem Buch vor dem Hintergrund des Phänomens Gewalt besonders berücksichtigt werden.
Danach (zweites Kapitel) finden sich spezielle, im Rahmen der Schemapädagogik relevante Begriffserklärungen.
Das dritte Kapitel thematisiert typische Wahrnehmungs- und Beurteilungsfehler, die Gewalttäter meistens offenbaren, entweder wenn sie Gewalt „gerade“ anwenden oder wenn sie im Nachhinein mit ihren Taten konfrontiert werden. Die Darstellung beinhaltet sowohl die detaillierte Beschreibung der (aus Sicht der Fachkraft) unliebsamen Phänomene als auch deren hintergründige Psychodynamik. Damit wollen wir darlegen, wieso es in der Regel so schwierig ist, aufseiten des Betreffenden irgendeine Form von Einsicht in die eigenen Taten anzuregen.
Das Naheliegendste („Ich bin tatsächlich gewalttätig und dafür verantwortlich“) ist quasi gleichsam das Unwahrscheinlichste – aus Sicht des Jugendlichen. Erfahrungsgemäß sind sich die Betreffenden gar nicht über den Eigenanteil an den Vergehen bewusst („Wenn der Andere mich nicht provoziert hätte…“). – Grundlagen der Ausführungen sind unter anderem auch ausgewählte Inhalte der Klärungsorientierten Psychotherapie (SACHSE 2004).
Danach (viertes Kapitel) werden praktische Methoden zur Reduktion von aggressivem Verhalten vorgestellt und beschrieben. Sie entstammen der Tradition der Konfrontativen Pädagogik (zum Beispiel WEIDNER & KILB 2008). Hier findet der Leser auch die oben schon erwähnte Interventionsmethode Aktivierende Ressourcenkonfrontation vor (WERNER 2009).
Daneben wird der übliche Ablauf einer schemapädagogischen Intervention beschrieben: Beobachtung – (komplementäre) Beziehungsgestaltung – Ausbau von vorhandenen Kompetenzen – Problemaktualisierung – Problemklärung – Unterstützung beim Transfer der erarbeiteten Lösungen in den Alltag – Ressourcenaktivierung.
Im fünften Kapitel findet konkret der Transfer der Schemapädagogik in diejenigen Arbeitsfelder statt, in denen man gezielt mit Gewalttätern in Interaktion tritt beziehungsweise Gewaltprävention praktiziert. Ausgeführt wird unter anderem, welche nachteiligen Schemata (Wahrnehmungsmuster mit biografischem Hintergrund) die betreffenden Heranwachsenden in der Regel offenbaren, welche Ursachen diese haben und in welchem Zusammenhang sie mit dem Thema „Gewalt“ stehen.
Das sechste Kapitel beinhaltet Praxisbeispiele aus dem Bereich schemapädagogische Interventionen im Umgang mit Mobbing, mit Körperverletzung und im Umgang mit Opfern.
Letztlich findet sich noch ein Resümee, außerdem werden noch ausgewählte Arbeitsmaterialien vorgestellt, die Professionelle ad hoc einsetzen können.
Worms und Bingen, im Frühjahr 2011
Die Autoren
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