Schemapädagogik in Aktion: Jugendliche auf ihrem Weg begleiten

Warum Schemapädagogik?

Weil das integrative Konzept Fachkräfte im “alltäglichen Wahnsinn” besonnener und aufmerksamer macht für die Beziehungsebene, für Übertragung- und Gegenübertragungsprozesse, für die “Kleinigkeiten” (Images, Tests), die später zu Stolpersteinen, d.h. zu Psychospielen werden können. Ohne Beziehung keine Erziehung (und weniger Bildung).

Schemapädagogik ist eine theoretische und praktische Transferleistung bzw. Erweiterung, grundsätzlich ausgehend von der Schematherapie von J.E. Young und der Klärungsorientierten Psychotherapie nach R. Sachse, auf pädagogische Praxisfelder.

Sie kann zudem als psychologisch basierte Pädagogik mit einem enorm großen Methodenkoffer bezeichnet werden, die insbesondere zur Professionalisierung in sozialpädagogischen und psychosozialen Arbeitsfeldern beitragen will. Schemapädagogik war Bestandteil der Lehrer-Weiterbildung „Berufsförderpädagogik“ am Institut für schulische Fortbildung und schulpsychologische Beratung (IFB Speyer). In der stationären Jugendhilfe findet sie mehr und mehr Anwendung.

Das Jugendheim Lory (Schweiz) arbeitet schemapädagogisch – sehr erfolgreich. Die Konzeption wurde als Sachbuch veröffentlicht 2021. Leseproben findest Du hier.

Grundlagen

Die Schemapädagogik ist ein integratives Konzept, ein Ansatz, der sich zusammensetzt aus Erkenntnissen verschiedener Humanwissenschaften und Therapieverfahren, nämlich: Neurobiologie, Psychoanalyse, Bindungsforschung, Motivationspsychologie, Transaktionsanalyse und kognitiv-behaviorale Therapie. Hauptsächlich beruft sich die Schemapädagogik auf die Schematherapie, aber auch andere schemabasierte Psychotherapiekonzepte werden miteinbezogen, vor allem die Klärungsorientierte Psychotherapie (Rainer Sachse) und die Kognitive Therapie (Aaron T. Beck und Albert Ellis).

Schemapädagogen gehen davon aus, dass herausfordernde Kinder und Jugendliche in verschiedenen Lebensphasen, in Wechselwirkung mit der sozialen Umwelt, spezielle hinderliche Wahrnehmungsmuster (Schemata) erworben haben, die sich schlussendlich zusammensetzen aus gedanklichen, körperlichen und emotionalen Inhalten. Meistens gehen nachteilige Schemata auf Frustrationen der existenziellen menschlichen Grundbedürfnisse zurück, sie können aber auch durch antrainierte Konditionierungen entstehen.

Diese nachteiligen Erwartungs- beziehungsweise Zuschreibungsmuster beeinträchtigen meistens das ganze Leben lang das Selbstbild und können auch die Beziehungen zu anderen negativ beeinflussen, vor allem die Interaktion mit Sozialpädagogen/Sozialarbeitern. Denn Schemata steuern Gedanken und Verhaltensweisen, sie sorgen für eine selektive Wahrnehmung. Eine besondere Herausforderung ergibt sich für Angehörige der sozialen Berufe deshalb, weil Schemata den Betreffenden nur teilweise bewusst sind, wenn überhaupt. Das heißt, dass Erzieher/Sozialarbeiter vom Anderen nicht objektiv wahrgenommen werden, sondern verzerrt; dies führt gewöhnlich zu vielen Beziehungsstörungen, die durch die herkömmliche pädagogische Diagnostik nicht in ihrer Komplexität erfasst werden.

Die Schemapädagogik setzt daher nach der Diagnostikphase genau an dysfunktionalen Schemata an, und zwar mittels bestimmter Interventionen, die einerseits im größeren Umfang im ambulanten und stationären therapeutischen Setting zum Einsatz kommen, die andererseits aber auch speziell auf Sozialpädagogen und Sozialarbeiter zugeschnitten sind.

Ein Ziel schemapädagogischen Wirkens ist die Herstellung einer tragfähigen Beziehung, damit Erziehung und Bildung effizient praktiziert werden können.

Beispiel für ein maladaptives Schema, Bewältigungsreaktionen und schemapädagogische Interventionen

Jeffrey Young unterscheidet 18 verschiedene nachteilige Schemata, die verschiedenen Domänen zugeordnet werden. Als Beispiel möchte ich das Schema „Misstrauen/Missbrauch“ beschreiben. Wenn Heranwachsende schon im Kindesalter häufig Enttäuschungen vonseiten des sozialen Umfelds erleben, etwa Verletzungen, Vernachlässigung, Herabsetzung usw., kann ein spezielles Erwartungsmuster aufseiten des Betreffenden entstehen, nämlich: „Beziehungen sind gefährlich“. Gemäß der Schematherapie stehen nun drei Möglichkeiten (mit evolutionären Wurzeln) zur Verfügung, auf dieses Schema zu reagieren: Vermeidung, Erduldung, Kompensation. Das heißt, vermeidet der Betreffende dieses Schema, tendiert er im Allgemeinen aus intuitivem Selbstschutz zum Einzelgängertum; erduldet er das Schema, geht er ausschließlich Beziehungen mit denjenigen Menschen ein, mit denen er ähnlich negative Erfahrungen macht wie mit seinen Bezugspersonen. Wird dieses Schema kompensiert, erscheint er vorauseilend aggressiv und schädigt eventuell andere. An allen möglichen Bewältigungsreaktionen sind auch sogenannte Schema-Modi (Ich-Zustände) sowie spezielle Kommunikationsspiele (Eric Berne) beteiligt. Auch diese Auffälligkeiten werden schemapädagogisch erfasst und in die Arbeit miteinbezogen.

Schemapädagogen müssen sich mit Zu-Erziehenden/Klienten auseinandersetzen, die nicht nur das Schema „Misstrauen/Missbrauch“ mitsamt den Bewältigungsreaktionen, Manipulationen und Kommunikationsspielen offenbaren, sondern noch mit vielen anderen hinderlichen Schemata. Dies erfordert ein hohes Maß an Fach-, Personal- und Sozialkompetenz.

Anwendungsbereiche

Schemapädagogik kann in vielen sozialpädagogischen Arbeitsfeldern praktiziert werden, etwa in der Krippe, im Kindergarten, Hort, Heim. Aber auch psychosoziale Arbeitsfelder bieten sich an, zum Beispiel die Einzelfallhilfe, Paarberatung, Erziehungsberatung, Sozialpädagogische Familienhilfe, der Strafvollzug/Bewährungshilfe, die Suchtberatung, Straßensozialarbeit.

Veröffentlichungen

Empathen, Einzelgänger, Schauspieler und Perfektionisten im Klassenraum: Ein schemapädagogischer Praxisratgeber für Lehrkräfte

Guter Unterricht braucht Beziehungen:

Schemapädagogik – ein Ansatz zum Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern

“Ich beende den Unterricht, nicht die Klingel!”: 12 Lehrertypen – und wie man sich und anderen Lehrkräften auf die Schliche kommt