Sadismus – ein verstörendendes und auch – aus tiefenpsychologischer Perspektive – spannendes Phänomen im Praxisalltag, das wir alle kennen. Und gleichzeitig ist Sadismus in unserem beruflichen Kontext quasi ein Tabu. Natürlich gab und gibt es entsprechende Tendenzen auch beim pädagogischen Personal: “Stichwort: schwarze Pädagogik!” Aber davon soll an dieser Stelle nicht die Rede sein.
Die Diagnose “sadistische Persönlichkeitsstörung” war einmal im DMS-III-R (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) verortet, wurde dann aber in dem nachfolgenden Manual gecancelt aus verschiedenen Gründen, die aber auch in dem vorliegenden Kontext keine Rolle spielen.
Typische Auffälligkeiten
Jugendliche mit diesen Tendenzen haben einfach Bock auf Fremdschädigung und Spaß daran; zudem ein Interesse an Schadenfreude, und sie sind motiviert, entsprechende Situationen aktiv zu inszenieren. Mobbing gehört daher zu ihren TOP-5. Ebenso auch oft der Konsum von einschlägigen, medial basierten realen Folter- und Tötungssequenzen aus Kriegsgebieten; Tierquälerei kann ferner ins Sadismus-Portfolio passen, die verdeckte Verabreichung von toxischen Substanzen an andere in der Wohngruppe zur allgemeinen Belustigung auch usw. Die Methoden des Sadismus sind zahlreich.
Dummerweise bekommt man das alles und noch viel mehr als betreuende Fachkraft nicht unbedingt im Alltag mit. Oft erst dann, wenn es schon zu spät ist.
Mögliche Ursachen
In den meisten pädagogischen Publikationen zu dem hier angeschnittenen Thema herrscht fogender Konsens vor: “Die Betreffenden waren früher Opfer – und heute wird dieses Thema kompensatorisch ausgelebt, d.h. in vertauschten Rollen”. Nun, dem Motto kann ich aus Erfahrung zustimmen im Allgemeinen. Es ergeben sich natürlich auch sadistische Tendenzen aufrund von Rachebestrebungen aufgrund von Beschämung, aktuellen Frustationen usw. Sozialpsychologische Forschung eben.
Schemapädagogische Interventionsmöglichkeiten
Mit dem sadistischen Anteil sollte offen gearbeitet werden. Die Betonung liegt auf: offen. Als Teil der Persönlichkeit, mit dem man sich auseinandersetzen muss. Das geht z.B., methodisch gesehenen, konfrontativ-wertend: “XY, du hast XY den Bleistift in die Hand gerammt, DAS IST EIN SCHEISS-VERHALTEN!” Die weit verbreitete Suche nach den Ursachen ist oft nicht zielführend. I.d.R. wird das Opfer für das Geschehen verantwortlich gemacht – nach dem Motto: “Der Spast braucht das!”.
Lieber ein Innere Teile-Modell erstellen. Hierin müssen verortet sein: der “erwachsene, reflektierte Anteil”, der “sadistische XY [Vorname des Betreffenden einfg.], der “glückliche XY”.
Wir Schemapädagog*innen arbeiten in solchen Fällen systemisch-klassisch, schematherapeutsch und auch -pädagogisch. Biografiearbeit muss nicht sein, das haben die Betreffenden meistens hinter sich und machen sich oft einen Spaß daraus. Biografiearbeit kann dessen ungeachtet trotzdem auch Beziehungskredit (Sachse) aufbauen, Schließlich arbeitet man gemeimsan an einem Ziel, nämlich am bewussten und möglichst gesunden Umgang mit dem sadistischen Anteil. Hierzu müssen Trigger-Situationen ausgemacht und besprochen werden mitsamt alternativen Reaktionen in Zukunft. D.h. man schaut sich zusammen den sadistischen Modus an.
Fazit
Jeder Mensch offenbart sadistische Anteile im Seelenleben. Aus Sicht der Sozialarbeiterin/des Sozilarbeiters geht da sehr viel in Hinsicht auf Erfahrungsaustausch im Team.
Die Fachkraft muss aber auf der Meta-Ebene reagieren können und auf alle möglichen unerwarteten Themen/Manipulationen vorbereitet sein, die eben die Jugendlichen in die Innere Teile-Arbeit einbringen können. Machmal sorgt letztlich nur das Authentisch-Sein für den Aufbau von Beziehungskredit. Dies ist dann die Grundlage für ein ressourcenorientiertes Arbeiten.