Teenager und junge Erwachsene mit antisozialen Persönlichkeitsanteilen können, wenn sie entsprechende Ressourcen mitbringen, eine ganze Gruppe sprengen, im Hintergrund die Fäden ziehen, das Team stark herausfordern und Pädagog*innen gegeneinander ausspielen. Wie begegnet man professionell dieser anspruchsvollen Klientel?

Typische Psychospiele

Unter Psychospielen versteht man im Kontext der Transaktionsanalyse, Klärungsorientierten Psychotherapie und Schemapädagogik eine besondere Art der Interaktionsstrategien, sprich: Manipulationen, die ein bestimmtes zwischenmenschliches Bedürfnis befriedigen sollen. Im Falle von antisozial strukturierten Jugendlichen geht es meistens um Macht, Kontrolle, darum, am längeren Hebel zu sitzen.

Einschüchterung z.B. beschreibt ein Zusammenspiel, bei dem es dem Spieler darum geht, den Interaktionspartner auf innovative und unerwartete Weise in seine devoten Anteile zu triggern. Manche schaffen das schon alleine durch Blockkontakt beim ersten Aufeinandertreffen. Bei Einlullen geht es darum, vor allem bestimmte Fachkräfte davon zu überzeugen, das Fortschritte in Bezug auf Personalkompetenz gemacht werden. Manchmal merkt das Team erst viel zu spät, dass komplett gelogen wurde. – Märchen ist auch interessant in diesem Kontext und geradezu ein Klassiker. Da gibt es etwa einen grenzüberschreitenden Vorfall, Diebstahl oder so – und alle im Team sind durch entsprechende Hinweise davon überzeugt, dass nur XY diesen begangen haben kann. Im Rahmen der gut vorbereiteten Konfrontation schafft es XY innerhalb kurzer Zeit eine Version der Geschichte aus dem Stand heraus zu präsentieren, die darzu führt, dass sich einige im Team danach komplett “drehen” und davon überzeugt sind: “Die/der kann das nicht gewesen sein!”

Nicht selten bringen antisoziale Teenager einschlägige Vorgeschichten aus dem kriminellen Bereich mit, traten durch verschiedene Delikte auf, waren schon vor Jahren auffällig (Tierqälerei, Drogenmissbrauch, Schulabsenz, ständiges Lügen, Schlägereien, Sensation seeking usw.).

Es ist aber wichtig, sich immer wieder bewusstzumachen, dass jeder Fall, auch wenn eine entsprechende Diagnose vorliegen sollte, anders ist.

Interventionsstrategien

Pädagog*innen tun gut daran, bereits zu Beginn der Zusammenarbeit etwaige Psychospiel-Eindrücke seitens der oder des Betreffenden nach intuitivem Abwägen aufzudecken, d.h. die Karten auf den Tisch zu legen, am besten via Ich-Borschaft: “Ich habe gerade den Eindruck, dass … ” Es geht einfach darum, dem Gegenüber aufzuzeigen, dass man “wach” ist und nicht so einfach als Psychospiel-Partner taugt. Die Erfahrung mit XY und der Austausch mit dem Team bringt im Laufe der Zeit meistens mehr Aufschluss über die Persönlichkeit des Anderen.

Ob man toxische Psychospiele unter vier Augen empathisch oder mit einer Kollegin (einem Kollegen) zusammen konfrontativ bearbeitet, liegt in Ihrer Einschätzung. Da gibt es kein Patentrezept.

Ohne Beziehungsarbeit geht es nicht

Gleichzeitig darf natürlich die Beziehungsarbeit nie vernachlässigt werden. Auch antisoziale Jugendliche sind i.d.R. offen dafür. Schwierig ist es manchmal, an den Interessen des Gegenübers anzudocken, wenn sich jene nur um fragwürdige, weil unmoralische Themen drehen (reale Foltervideos auf dem Handy suchten, Bock auf Schlägereien, Affinität zum Mobbing, Splattermovies). Aber i.d.R. finden sich auch Themen, die XY präferiert und die man gemeinsam anzapfen kann (MMA, Fußball, Football usw.).

Empathisch-konfrontativ Grenzen setzen

Dass Antisoziale die Grenzen (a) der Arbeitsbeziehung zu einzelnen Pädagog*innen, (b) der Einrichtung, (c) des Tagesablaufes erfahrungsgemäß testweise überschreiten – darauf muss man nicht nur als Einzelkämofer gefasst sein, sondern auch das ganze Team. Im wöchentlichen Besprechungen dürfen daher Eindrücke ausgetauscht werden. Möglichst früh sollte dann folgendes Fazit kommuniziert werden: “Wir sehen dich und deine Ressourcen, wir unterstützen dich – und du musst mitarbeiten, so wie alle anderen auch”.

Veröffentlichungen

Empathen, Einzelgänger, Schauspieler und Perfektionisten im Klassenraum: Ein schemapädagogischer Praxisratgeber für Lehrkräfte

Guter Unterricht braucht Beziehungen:

Schemapädagogik – ein Ansatz zum Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern

“Ich beende den Unterricht, nicht die Klingel!”: 12 Lehrertypen – und wie man sich und anderen Lehrkräften auf die Schliche kommt

„Gar nichts muss ich!“: Mit narzisstischen Schülern kompetent umgehen 

Achterbahnfahrten im Klassenraum: Konstruktive Zugänge finden zu Schülerinnen und Schülern mit Borderline-Persönlichkeit

Beziehungsgestaltung und Ressourcenförderung im Jugendheim Lory: Ratgeber Schemapädagogik in der stationären Jugendhilfe