Die Beziehungsebene wurde in Schule und in manchen Praxisfeldern der Sozialen Arbeit, insbesondere in der Heimerziehung, lange Zeit stark vernachlässigt. Gemäß der Prinzipien des operanten Konditionierens gehörten u.a. bis in die 1980er-Jahre hinein Belohnung und Bestrafung zu den pädagogischen Hauptmethoden. – Nicht sehr effizient in Hinsicht auf Persönlichkeitsentwicklung und Nachhaltigkeit, wie wir heute wissen. Ändert trotzdem nichts daran, dass es noch zahlreiche Einrichtungen gibt, die entsprechend noch genau so arbeiten.

Der größte Kick ist der Mitmensch

Mit der Entdeckung der Spielneuronen in den frühen 1990er-Jahren (Rizzolatto und Co.) wurde nicht nur die hirnspezifische Grundlage von Empathie gefunden, sondern auch unser soziale Grundnatur nachgewiesen. “Wir Menschen”, sagt Joachim Bauer, “sind auf [positive] zwischenmenschliche Kontakte hin programmiert”. Funktionierende zwischenmenschliche Begegnungen sorgen daher nicht ohne Grund für die Ausschüttung von Glücks- und Bindungshormonen (Dopamin, Oxytocin und Co.). Was eine dauerhafte Frustration dieses Grundbedürfnis in der Kindheit für unschöne Auswirkungen auf den Lebenslauf haben kann, ist ebenfalls bekannt. Oft werden dann Schemata wie Misstrauen/Missbrauch, Soziale Isolation usw. ausgeprägt. 

Auf der Beziehunsgebene andocken – aber wie?

Nach meiner Erfahrung offenbaren stark herausfordernde und auch sog. “hoffnungslose” Fälle in Schule und Sozialer Arbeit “Ansetzpunkte auf der Beziehungsebene”, die beide Parteien über kurz oder lang zu einer konstruktiven Zusammenarbeit motivieren können. Der Weg dahin ist oft steinig.

Bekanntermaßen haben nicht alle schwierigen Kinder bzw. Jugendlichen Bock auf eine – in unserem Verständnis – prosoziale Arbeitsbeziehung. Ich habe mir an manchen Heranwachsenden dahingehend auch schon die Zähne ausgebissen. Aber ich bin zu dem Schluss gekommen: der stete Tropfen hölt den Stein. Natürlich muss man aber als pädagogische Fachkraft selbst Bock haben, die Beziehungsebene zu betreten, zu thematisieren, sich auf auf die Lebenswirklichkeit des Gegenübers einzulassen. Doch welche “Beziehungsangebote” fruchten mehr als andere?

Ich docke meistens an Äußerlichkeiten des Gegenübers an, die mir auffallen, inszeniere Gesprächsanlässe zu Themen, die ich mitbekomme – und die mich(!) selbst beschäftigen. Glücklicherweise habe ich eine große Motivation, Menschen in meinem Praxisfeld kennenzulernen. Gerade zu Schuljahresbeginn gebe ich dahingehend einiges an Zeit in meiner Klasse rein. Das ist schon die halbe Miete. Denn beim Beziehungsaufbau zählt vor allem eins: Authentizität!

Wenn die Beziehungsebene geklärt ist – Vorteile

In meinem Praxisfeld Schule hat die Klärung der Rollen, das empathische Aufdecken von Psychospielen, das Sich-Begegnen auf Augenhöhe, Selbstironie, Humor und Aufmerksamkeit viele Vorteile. Ich werde selten(er) manipuliert, angelogen, die Schüler*innen spicken weniger bei Leistungsnachweisen, lassen sich emotional positiv “anstecken” (Stichwort: Spiegelneuronen).

Nach meiner Erfahrung funktioniert ein erfolgreiches Andocken an Interessen auch u.a. in der stationären Jugendhilfe. Die Jugendlichen ziehen dann bei ihrem Bezugserzieher etwa eher mit, sind offener, weniger manipulativ usw. Doch das braucht manchmal Zeit – und Rückschläge müssen von den Fachkräften auch ertragen werden. Gerade in diesem Bereich wird ausgiebig getestet nach dem Motto: “Bleibst du auch an meiner Seite, wenn ich mal nerve, ausflippe usw.” Solche Situationen können dann auch nachbearbeitet werden, etwa mit Modus-Karten oder mittels Stühlearbeit. 

Wenn die Beziehungsebene nicht geklärt ist – mögliche Nachteile

Lehrkräfte, die der Meinung sind: “Ich bin Bildungsvermittler und kein Pädagoge”, werden eher zum Spielball von Manipulationen und “Opfer” von Psychospielen. Man bekommt einfach meistens mehr Stress. Das muss nicht sein.

Auch in der stationären Jugendhilfe sorgen gestörte Bindungsmuster im Praxisalltag für Stress – für noch intensiveren als im Praxisfeld Schule. Ein komplexes Thema manchmal. Wir Schemapädagogen nutzen zahlreiche Methoden zum Beziehungsaufbau, die in den Monografien und Sammelwerken ausgiebig beschrieben werden. (In diesem Blog werde ich immer wieder mal in entsprechende Methoden einführen.)

Fazit

Beziehung ist in Schule und Sozialer Arbeit nicht alles, aber ohne Beziehung ist alles nichts – in pädagogischer Hinsicht. Ein positiv gefärbtes Arbeitsverhältnis motiviert beide Interaktionspartner zur konstruktiven Zusammenarbeit.

Veröffentlichungen

Empathen, Einzelgänger, Schauspieler und Perfektionisten im Klassenraum: Ein schemapädagogischer Praxisratgeber für Lehrkräfte

Guter Unterricht braucht Beziehungen:

Schemapädagogik – ein Ansatz zum Umgang mit verhaltensauffälligen Schülern

“Ich beende den Unterricht, nicht die Klingel!”: 12 Lehrertypen – und wie man sich und anderen Lehrkräften auf die Schliche kommt

„Gar nichts muss ich!“: Mit narzisstischen Schülern kompetent umgehen 

Achterbahnfahrten im Klassenraum: Konstruktive Zugänge finden zu Schülerinnen und Schülern mit Borderline-Persönlichkeit

Beziehungsgestaltung und Ressourcenförderung im Jugendheim Lory: Ratgeber Schemapädagogik in der stationären Jugendhilfe